Lehmskulptur & Lehmausstellung
Sopron

Lehmskulptur und Lehmausstellung Sopron

Seit dem Sommersemester 2013 veranstaltet die TU Wien im Nachbarland Ungarn, am Gelände des Waldökozentrums am Stadtrand von Sopron, jährlich experimentelle Lehmbau-Workshops mit Architekturstudenten. Ziel ist es einerseits, den Studierenden die verschiedenen Lehmbautechniken in praktischer Form nahe zu bringen, andererseits durch das Experimentieren mit dem Material neue Erkenntnisse über das Verhalten des Baustoffes Lehm unter definierten Bedingungen zu erhalten.
In drei aufeinanderfolgenden Jahren wurde a) eine Lehmskulptur errichtet, die als Tribüne für den angrenzenden Fußballplatz dient und die drei Massivlehmtechniken Stampflehm, Wellerlehm und Lehmziegel beinhaltet, und b) ein Holzständerhaus mit verschiedenen Lehmausfachungen versehen, um unterschiedliche traditionelle Ausfachungstechniken zu demonstrieren. Die Techniken wurden mit Informationstafeln (deutsch/ungarisch) versehen, um das Wissen auch der ansässigen Bevölkerung zu vermitteln.

Die Wissensvermittlung an die Studierenden findet direkt am Bauplatz statt und setzt folgende Schwerpunkte:

  • Geologische Grundlagen und Zusammensetzung von Lehm
  • Materialeigenschaften: Bestimmung und Kategorisierung unterschiedlicher Lehme durch einfache Tests: Sieblinie, Kugelfallprobe, Achterlingsprobe
  • Aufbereitung von Baulehm: Veränderung der Eigenschaften durch Zugschlagstoffe wie Stroh, Kalk, Wasserglas, Kasein, Leinöl, Dung etc. und Untersuchung der Auswirkungen auf die Druckfestigkeit, Bindekraft, Abriebfestigkeit, Feuchtigkeitsresistenz etc.
  • Historische Lehmbautechniken: Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile diverser Bautechniken wie Stampflehm, Wellerlehm, Lehmziegel, Lehmwuzel (Deutschland: Lehmpatzen), verschiedene Leichtlehme, Wickelstaken, Geflecht mit Lehmbewurf, Lehmputze etc.
  • Wirtschaftlichkeit: Abschätzen von Bauzeit und Baukosten

Vorwiegendes Anliegen des Lehmbau-Workshops ist es, historische Lehmbautechniken in Österreich und den angrenzenden östlichen Nachbarländern wie Ungarn, Tschechien und der Slowakei anhand von 1:1 Modellen experimentell nachzustellen und daraus wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, wie die teils nur mehr rudimentär erhaltenen traditionellen Lehmbauten tatsächlich errichtet wurden.
Das Wissen um den Lehmbau, das in weiten Teilen Österreichs noch bis ins ausgehende 19. Jahrhundert weit verbreitet war und von Generation zu Generation weitergegeben wurde, ist über das 20. Jahrhundert hinweg verloren gegangen. Da es kaum schriftliche Aufzeichnungen über historische Lehmbauweisen gibt, gilt es, sich diese Erfahrungen neu anzueignen. Daher wird beim 1:1 Lehmbau-Workshop auch weitgehend auf die Zuhilfenahme moderner Werkzeuge und Geräte verzichtet.

Die Palette historischer Werkzeuge und Hilfsmittel reicht von hölzernen Ziegelmodeln über selbstgefertigte Holzstampfer und Wellerhölzer bis hin zu Macheten für die Zerkleinerung des Strohs. Das so gewonnene Wissen wird nicht nur für die Erhaltung des historischen Lehmbau-Bestandes in Österreich und Europa in Zukunft gefragt sein, auch für die Entwicklung neuer ökologischer Baustoffe im Zusammenhang mit Lehm kann auf die jahrhundertealten Erfahrungen dieser Traditionen aufgebaut werden.

Die verschiedenen Bauweisen werden über einen längeren Zeitraum hinweg analysiert und beobachtet, um neue Erkenntnisse über Belastbarkeit, Haltbarkeit, Witterungsbeständigkeit etc. des Materials im Zusammenhang mit den diversen Bautechniken gewinnen zu können.

Als vorläufiges Ergebnis der 1:1 Workshops wurde am Gelände des Waldökozentrums eine Ausstellung zum Thema Lehmbau eingerichtet. Unterschiedliche Lehmbautechniken werden demonstriert und auf Hinweisschildern werden die Lehmzusammensetzungen und die verwendeten Bauweisen erklärt. Dadurch soll bei der lokalen Bevölkerung sowie bei den Besuchern des Waldökozentrums ein Bewusstsein für den Wert des eigenen baukulturellen Erbes, für die Vorzüge der traditionellen Lehmbautechniken sowie die zeitgemäßen Einsatzmöglichkeiten dieses Materials geschaffen werden.

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