Palastarchitektur in Ägypten
und ihre räumliche Semiotik

Hyksos- und ägyptische Paläste in Avaris/Tell el-Dab‘a (FWF Projekt P 34601)

Seit 2022 gibt es ein vom FWF (Österreichischer Wissenschaftsfonds) gefördertes Kooperationsprojekt (Projektnummer P 34601) der Universität Innsbruck und der TU Wien, das sich mit Palastarchitektur im Ostdelta Ägyptens beschäftigt. Der FoB Baugeschichte Bauforschung zeichnet hierbei für die digitale 3D-Rekonstruktion dieser Paläste verantwortlich.

Projektbeschreibung

In jüngerer Zeit gab es in der Archäologie auf Grund von in der Sozialanthropologie geprägten Theorien den Trend, Kulturen nicht anhand von Palästen, sondern anhand der Haushalte einfacher Menschen zu erfassen. Schließlich wurde man gewahr, dass man die Paläste in ihrer architektonischen und kulturellen Aussage bislang nicht genügend gewürdigt hatte. Dies führte in der vorderasiatischen Archäologie zu einer Trendumkehr, was sich in sorgfältig recherchierten Publikationen von Palästen in Nordsyrien und Mesopotamien niedergeschlagen hat. Die meisten Palastgrabungen in Ägypten liegen allerdings bald hundert Jahre zurück. Die Architektur ist nur in Übersichtsplänen veröffentlicht, das Fundmaterial ist nur unzureichend dokumentiert und nur publiziert, wenn es sich um Gegenstände besonderer Bedeutung handelt.

Aus Tell el-Dab‘a, der Hauptstadt der Hyksos, ist ein palastartiges Herrenhaus aus dem Mittleren Reich, ein Palast vorderasiatischen Typs aus der Hyksoszeit und ein großer Palastbezirk aus dem Neuen Reich bekannt. Letzterer kann allem Anschein nach mit der aus Texten bekannten Flottenstation Tuthmosis’ III. und Amenophis’ II. namens ‘Peru-nefer’ identifiziert werden. Diese drei Paläste wurden nach modernen Standards ausgegraben, aber bislang nur in Vorberichten publiziert. Welche Ergebnisse sind vorstellbar?

Einer top-down Strategie folgend ist zu erwarten, dass Palasthaushalte mit ihrer Architektur, der Ausstattung und dem Fundgut internationale Beziehungen und damit die zeitgenössische Politik besser als einfache Haushalte repräsentieren. Das Importgut zeigt das gesamte Spektrum der bestehenden Handelsbeziehungen viel deutlicher. Die minoischen Fresken im Tuthmosiden-Palast verweisen z.B. auch auf kulturelle und womöglich diplomatische Beziehungen – mehr als dies das reduzierte und kanalisierte Fundgut von einfachen Haushalten offenlegen würde.

Von besonderem Interesse ist jedoch die Architektur der Paläste, z.B. können Fremdeinflüsse in der allgemeinen Struktur, wie agglutinierende Bauweise oder die Integration von Heiligtümern im Palast festgestellt werden. Diese Fremdeinflüsse zeigen, dass sich unter den Entscheidungsträgern in Ägypten, die natürlich zur Elite gehörten, auch Personen aus dem Vorderen Orient befunden haben müssen, die genug Einfluss besaßen, um ihre Vorstellungen auch zu verwirklichen.

Semiotik spielt auch heute in der Architektur und der Raumanalyse eine wichtige Rolle. Die Lage, die Größe des Palastes, die Größe des Thronraumes, der Magazine, die Zahl der Wohnbereiche mit der Hierarchie von Größen und Anzahl der Säulen, dies alles spielt für die Beurteilung eines Bauwerkes eine besondere Rolle. Während sich das Team der Universität Innsbruck mit der Archäologie und Stratigraphie dieser Paläste befasst, können doch viele der oben genannten Aspekte nur mittels digitaler, dreidimensionaler Rekonstruktion nachempfunden und verifiziert werden – der Teil des Projektes, der vom FoB Baugeschichte Bauforschung der TU Wien abgedeckt wird.


Projektdaten