Zur Architektur der ehemaligen Niederösterreichischen Landes-, Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke
Am Steinhof in Wien
Der erste Teil des 368 Seiten starken Buches widmet sich in 15 wissenschaftlichen Fachbeiträgen verschiedensten Themen zu dieser Anlage aus dem Blickwinkel der Architektur- und Kunstgeschichte, jedoch auch der Gegenwart und Zukunft der annähernd vollständig im Originalzustand erhaltenen, denkmalgeschützten Anlage aus über 60 Einzelobjekten. Monika Keplinger (TU-Graz) ordnet die Anstalt Am Steinhof aus kunsthistorischer Sicht den anderen Anlagen zur Unterbringung psychisch Kranker in Wien zu. Caroline Jäger-Klein ergänzt aus Sicht der Architekturhistorikerin um die Generation der sogenannten modernen Irrenanstalten der Kronländer der Monarchie um 1900. Gustav Schäfer (vormaliger Verwaltungsdirektor des Otto-Wagner-Spitals) widmet seinen Buchbeitrag dem Schöpfer der Anstalt Leopold Steiner. Sabine Plakolm-Forsthuber führt durch die Baustelle der „weißen Stadt“ und erklärt das Pavillonsystem im Krankenhausbau als Zeichen des Kulturfortschritts der Moderne. Richard Kurdiofsky (Österreichische Akademie der Wissenschaften) fasst die Idealvorstellungen Otto Wagners zu seiner Anstaltskirche zusammen. Jäger-Klein widmet sich den drei Architekten der Anlage, Carlo von Boog, Otto Wagner und Franz Berger.
Stefan Melwisch (Germanist, Architekturstudent und Mitarbeiter in einem Bauingenieurbüro) begründet die innovative Bautechnik als frühes „Megaprojekt“ des Eisenbetons in Österreich. Mathias Groisböck (Architekturstudent) beleuchtet gemeinsam mit Plakolm-Forsthuber die Techniken der Hygiene am Steinhof. Sabine Plakolm-Forsthuber beweist, dass die Innenausstattung und Möblierung behagliche Wohnstätten für „Nervenkranke“ schufen. Maria Auböck (Landschaftsarchitektin und Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in München), die bereits vor Jahren in einer Studie den interessanten Baum- und Gehölzbestand des Freiraumes Am Steinhof dokumentierte, beschreibt nun die Gestaltungsprinzipien dieses Freiraumes und die Gartenanlagen vor Ort. Zur Vervollständigung der Baugeschichte vertieft sich im Anschluss Plakolm-Forsthuber in die baulichen Interventionen am Areal von der Eröffnung bis in die Nachkriegszeit. Herwig Czech (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes) widmet sich der Anstalt als Ort von Medizinverbrechen im Nationalsozialismus. Caroline Jäger-Klein führt anhand der denkmalgerechten Sanierung und Adaptierung einiger Pavillons durch verschiedene Architekturteams um das Jahr 2000 vor, dass eine erfolgreiche Implementierung der Prinzipien des Bauens im Bestand zu einer nachhaltigen Zukunft des Areales führen kann. Zuletzt entführt Franziska Leeb (freiberufliche Architekturpublizistin) in die zahlreichen Bauprojekte und Bürgerinitiativen rund um den Steinhof.
Nach einem Fotoessay von Wolfgang Thaler zum Steinhof selbst, aber auch zu den Anlagen von Alt-Scherbitz in Preußen, Mauer-Öhling in Niederösterreich, Kremsier in Mähren und Triest, damals noch dem Küstenland Österreichs zugeordnet, erschließt sich die Baugeschichte des Areales Am Steinhof im Detail aus den erst in den vergangenen Jahren aufgefundenen und bisher unveröffentlichten, mehreren tausend Originalplänen und historischen Fotografien, kommentiert durch Beschreibungstexte. Gegliedert in Heil- und Pflegeanstalt, Sanatorium und Wirtschaftsareal und geleitet durch extra erstellte, übersichtliche Lagepläne lädt dieser Katalogteil zu einem ausgedehnten Rundgang durch das ausgedehnte Areal im Westen von Wien ein.